Matsuo Basho


von Sarah Wassermair

Über-Ich ist der Meinung, ich könnte wieder mal was Anspruchsvolles lesen und ich bin beleidigt.

Ich: "Ich hab erst grad was Anspruchsvolles gelesen!"
Über-Ich: "Hast du nicht!"
Ich: "Ich war ja dabei!"
Über-Ich: "Okay - was war das letzte Buch, das du gelesen hast, in dem niemand auf unangemessen blutrünstige Weise von hirnmutierten Killerzombies dahingemeuchelt wird?"
Ich: "Ähem… das mit dem blauen Umschlag?"
Über-Ich: "Du meinst den blauen Umschlag mit den dekorativen Blutspritzern drauf?"
"Ebendiesen", bestätige ich fröhlich.
Über-Ich: "Zugehörig dem Buch, in dem eine Anzahl von Personen von hirnmutierten Killerwerwölfen auf unangemessen blutrünstige Weise dahingemeuchelt wird?"
Ich: "Das vielleicht, aber sie werden poetisch dahingemeuchelt. Ziemlich am Ende gibt es da diese wunderschöne Beschreibung eines winterlichen Parks und noch weiter hinten spielen sie Klavier."
Über-Ich: "Keine Klavierbeschreibung der Weltliteratur rechtfertigt hirnmutierte Killerwerwölfe, Mädel."

Ich sehe mich Hilfe suchend nach Es um, das mir normalerweise in solche Debatten beisteht, aber das hockt an seinem Lieblingsplatz bei den Amygdalen und nagt an irgendwelchen Knochen. Bis zu Es ist noch nicht durchgedrungen, dass der Rest der Arbeitsgruppe Silentiums Bewusstsein vegetarisch ist. Ich hoffe nur, Es frisst nicht schon wieder kleine Kinder. Über-Ich schaut streng, Es schmatzt und Ich gebe auf.

Folglich blättere ich also heute dezent missgelaunt im Geo Epoche und stoße dabei auf einen ziemlich interessanten Artikel über einen toten Japaner, der mir profund sympathisch ist. Der Japaner, nicht der Artikel. Namentlich Matsuo Basho, dem Dichterknilch, der irgendwann im 17. Jahrhundert die Idee hatte, man könnte doch aus dem Spottvers hukko doch die höchst elegante Form haiku machen. Und der dann monatelang durch die Gegend zog, um einfangenswerte Momente einzufangen. Von wegen Krähen, die sich in unbelaubtem Astwerk niederlassen und weinenden Fischen und so. Sehr hochwertig, das Ganze. (Irgendwann scheint er allerdings in einem eher subobtimalen Hotel gelandet zu sein: "Flöhe und Läuse!/ Und bei meinem Kopfkissen / pisst auch noch ein Pferd!" Das nenn ich mal plastisch.)
Abgesehen von urinierenden Pferden hatte der Bursche es aber ordentlich drauf. Der setzt eine Krähe in irgendein abgewutzeltes Astwerk und - täterättä! - hat er schon einen 1A Herbst fertig, dass der Nebel direkt aus den Silben sickert. Und von den Silben braucht er nur siebzehn pro Herbst. Mich frisst der Neid, wenn ich nur dran denk.

Der andere Grund, warum ich den Kerl so nett finde: der Artikel ist mit einem Gemälde illustriert, das ein verschmitztes kleines Alterchen zeigt. Dieser Knittergreis grinst dermaßen zufrieden vor sich hin, dass man ihn auf der Stelle und durch die Jahrhunderte hinweg knuddeln möchte. Ich gesteh: so groß meine Furcht vor perfiden alten Damen ist, so hemmungslos ist meine Zuneigung zu verschmitzten alten Männlein. Am liebsten würde ich mir eine ganze Menagerie von den Kerlchen zulegen - reihenweise Käfige, in denen dann von Beppo Straßenkehrer über Geppetto bis zu meinem Opa väterlicherseits alles sitzt, was da nett und schrumpelig ist. Ich meine, das wäre dann ein ganz neuer Markt. Man müsste nicht mehr so triviales Zeugs tauschen wie Briefmarken oder Pökelmonkarten, neinneinnein! Dann gäbe es stattdessen erquickliche Dialoge wie etwa:
A: "Du, wenn du mir deinen Basho gibst, kriegst du dafür meinen Großonkel Erich."
B: "Bist du wahnsinnig? Für den possierlichen Schrumpeljapsen hab ich Alexander Van der Bellen hinlegen müssen. Der ist mindestens Meister Yoda Wert."
A: "Deal. Aber füttre ihn ja nicht mit Weizenkleie."

Allerdings bin ich ziemlich sicher, dass es recht strenge EU-Auflagen zum Thema "Artgerechte Käfighaltung von Greisen" gibt. Ganz abgesehen davon, dass sie sich in Gefangenschaft grundsätzlich nicht fortpflanzen. Was ich schade finde, denn ein Matsuo-Basho-Meister-Yoda-Hybrid wäre klasse. Man stelle sich vor, Luke hätte sein Jedi-Briefing in Haikuform bekommen:

Laserschwertakku
abends aufladen du musst.
Die Macht mit dir sei.

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