von Sarah Wassermair
Neulich hab ich bis zwei Uhr nachts bei einer Geburt Pfötchen gehalten. Rhea besteht nämlich drauf,
dass ihr jemand moralischen Beistand leistet, wenn sie Kätzchen kriegt. Sollte man es dann wagen, von
ihrer Seite zu weichen, dann ist sie schwer beleidigt und würdigt einen keines Blickes mehr, bis die
Kätzchen volljährig sind. Die letzten drei Mal hat Papa die Hebamme spielen müssen, weil Rhea den
Geburtstermin justament immer dann festgelegt hat, wenn die Frau Mutter samt mir und Brüdern in
Vorarlberg auf Großtantenbesuch geweilt hat.
Eigentlich markiert Papa katzentechnisch immer den harten Mann, von wegen, es wären unsere Katzen und
gingen ihn nur sehr peripher etwas an, nämlich nur dann, wenn ein Maunzer in seiner Werkstatt Duftnoten
verteilt und so das väterliche Revier verletzt. Das sind dann fremde Kater, die nächtens durch die
Katzenklappe kommen, um sich an dem für unsere drei Schnurrer bereitgestellten Futter zu laben und
eventuell, sollte gerade Saison sein, Rhea oder Hexle einen entsprechenden Herrenbesuch abzustatten.
Es geht nichts über ein vielstimmiges Heulkonzert liebeskranker Kater um vier Uhr morgens im Stiegenhaus.
Verschärfend kommt hinzu, dass die Katzenklappe in einer Hintertür ist. Also müssen die Kater einen
Umweg über Väterchens Werkstatt machen, wo sie eben die schon erwähnten Visitenkarten hinterlassen.
Wenn es aber bei einer Katzengeburt ernst wird, dann sitzt Väterchen allerdings genau wie wir brav
Pfötchen haltend am Wöchnerinnenbett, einem mit sauberen Handtüchern ausgelegten Katzenkorb. Als wir
nach dem letzten Vorarlbergbesuch heimkamen, waren da aber nicht nur Handtücher, sondern jemand hatte
die Kätzchen auch noch warm in Hamsterwatte eingepackt. Papa hat zwar versucht, das zum Ausdruck seines
herzlosen Desinteresses zu deklarieren, aber wir haben ihn ausgelacht. Immerhin, es geht hier um einen
Mann, der einmal einer welken Topfpflanze eine Infusion gelegt hat.
Eigentlich hätte Rhea ja die Pille bekommen, die hat sie aber in Eigenregie abgesetzt. Es braucht nur
jemand das Wort 'Pille' in ihrer Umgebung aussprechen und schon bekommt sie einen Energieschub, der
sie durch die Tür und aus unserer Reichweite hinauskatapultiert. Fremdsprachen durchschaut sie auch.
Man sage: "I think it’s time for the cat’s pregnancy control", und schon hat sich the cat verdünnisiert.
Sie durchschaut auch sofort, wenn wir die Pille in ihrem Futter verstecken. Normalerweise gelingt es
uns mit immer raffinierter werdenden Manövern dann doch, sie zur Einnahme zu bewegen, aber einmal scheint
sie uns auf jeden Fall überlegen gewesen zu sein.
Jetzt sind sie also da, die beiden Würmchen mit Schwanz, kaum fünfzehn Zentimeter groß, das eine
Schildpattfarben, das andere Grau-Weiß. Sie können noch nicht mehr als piepsen und schlafen, und
trotzdem sind sie unbestritten Mittelpunkt des Hauses. Sogar unser Kater Ramses kommt regelmäßig
vorbeigetrottet und schnuppert einmal in den Korb hinein, als wolle er sich davon überzeugen, dass die
Kleinen noch immer da und funktionsfähig sind. Einer seiner Vorgänger, der viel zu früh von uns
gegangene Kater Lord, hat sich nach seiner Kastration sogar in einen waschechten Kindergartenonkel
verwandelt, der den Kätzchen Mäuse vorbeigebracht und mit ihnen gespielt hat. Da allerdings der Verlust
gewisser Körperteile bei Lord auch zur merklichen Einschränkung seiner geistigen Kapazitäten geführt
hat (O-Ton Mama: "Da sieht man, womit Männer denken."), haben wir Ramses dieses Schicksal erspart. Ein
fürchterlicher Softie ist er aber trotzdem. Eigentlich sollte er ja das Haus gegen die schon erwähnten
nächtens eindringenden Fremdkater verteidigen. Nur hat er sich scheinbar überlegt, dass es ja blöd ist,
sich auf einen Kampf einzulassen, den er verlieren könnte. Stattdessen kommt er jetzt immer angerannt,
wenn er befellte Wüstlinge beim Hausfriedensbruch ertappt, und holt einen von uns zur Verstärkung. Er
gibt erst Ruhe, wenn man ihn begleitet und den Fremdkater in Ramses' Auftrag vertreibt. Wäre er ein
Hund, dann hätte er uns schon das Bellen beigebracht.
Dabei ist er in anderer Hinsicht recht selbstständig, zum Beispiel hat er mittlerweile gelernt, sich
den Trockenfuttersack selbst zu öffnen. Da hängt er dann in der Katzenfutterkiste, das Hinterteil hoch
in der Luft, und man hört ein hastiges Mampf-hrmpf-hmpf-schlingschling-mpf. Grunderkenntnis im Umgang
mit Katzen: egal, wie wohlgenährt sie sind, sie werden immer so tun, als wären sie etwa vier Minuten
vor dem Verhungern und es sei überhaupt nur ihrer immensen Schlauheit und Durchsetzungskraft zu verdanken,
dass es dazu noch nicht gekommen ist. Neulich war Ramses fast der Verzweiflung nah, als ich
begriffsstutziges Ding aus meiner grenzenlosen Knickrigkeit heraus nicht begriffen hab, was er von
mir wollte. Da hat er sich auf die Hinterbeine gestellt, sich mit den Vorderpfoten an einem Oberschenkel
abgestützt und zu mir hochgemaunzt, so eindeutig, dass unter ihm in der
Luft kleine Untertitel entstanden sind:
Ich: "Katerle, du hast Futter da."
Kater: "Maunz-maunz-mauauauaunz-raunz. Ach weh, mit schnödem Feuchtfutter, Geschmacksrichtung
'Delikates Kalbfleisch mit Erbsen'! Will sie mich abspeisen, auf dass ich kraftlos vor mich hinvegetiere
und den Gefahren des Lebens hilflos ausgeliefert bin?"
Ich: "Lactosefreie Milch hast du auch. Und Schinken."
Kater: "Und was ist mit dem Trockenfutter? Soll ich etwa auf Trockenfutter verzichten, auf dass meine
Zähne stumpf werden und die erstbeste Spitzmaus mich im mannhaften Zweikampf niederwerfen kann?"
Ich: "Und was ist das da auf dem Teller neben dem Wassernapf, deiner Expertenmeinung nach?"
Kater: "Trockenfutter. Aber das falsche. Das hier ist aus dem weißen Sack, nicht aus dem
grünen."
Ich: "Du meinst aus dem grünen Sack, dessen Inhalt genau gleich aussieht
und riecht wie der des weißen?"
Kater: "Das Zeug schmeckt auch gleich, aber das tut nichts zur Sache. Ich bin ein Kater, ich habe keinerlei
Verpflichten der Logik gegenüber."
Da hat er mir den grünen Sack vor die Füße geschleift, um mir klar zu machen, welche Mängel seine
Ernährung aufweist. Und ich habe dem Monsieur Katzer gehorcht, weil ich weiß, wenn ich in einer
argumentativen Auseinandersetzung unterlegen bin.
Im Übrigen, auch wenn es nach obigen Ausführungen so wirken mag, leben wir nicht mit drei Katzen
zusammen, weil wir auf häusliche Sklaverei stehen und gerne von Tyrannen geknechtet werden, die uns
nicht mal bis zum Knie reichen. Aber wie sollten wir auf sie verzichten? Auf Hexle,
die den Motor von Mamas Auto am Geräusch erkennt und mit angelegten Ohren im
Schweinsgalopp die Straße heruntergesaust kommt, um sie zu begrüßen. Auf Ramses,
der immer nach Erde und Moos riecht, weil er sich den ganzen Tag im Freien
herumtreibt und nachts zu einem aufs Bett hüpft, wo er ein warmes Gewicht auf
der Decke ist und einen in den Schlaf schnurrt? Auf Rhea, die ein zierliches
Kätzchen mit der Haltung einer Königin und dem Ego einer antiken Göttin ist?
Zudem die schönsten Augen hat, die die Evolution jemals
hervorbringen wird? Und wie sollten wir auf diese zwei Fellwürstchen verzichten, die drüben im
Katzenkorb vor sich hin piepsen und sich schon jetzt den ganzen Haushalt untertan gemacht haben?
Ohne Katzen geht es nicht.
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