Sarah "Dämonenlord" Wassermair


von Sarah Wassermair

Mir passiert momentan etwas, wovon unsere Bildungsministerin nur träumen kann: es gibt Leute, die wenigstens so tun, als würden sie sich für meine Zukunftspläne interessieren.

Wenn man als kleines Kind gefragt wird, was man mal werden will, dann kommt man einfach davon, weil keine Sau einem widerspricht. Man kann Astronaut werden wollen oder Polizist, Weltherrscher und Primaballerina oder Welt beherrschende Primaballerina, für alles kriegt man einen Keks von Oma und ein Bussi auf die Stirn. Dann kommen ohnehin die segensvollen Jahre der Pubertät, wo die gnädige Umwelt davon ausgeht, dass man so sehr damit beschäftigt ist, nicht zu wissen, was man ist, dass man erst recht nicht damit belästigt werden will, was man wird. Vierzehnjährige werden nur von psychologischen Vollignoranten nach ihren Berufswünschen gefragt.

Aber dann kommt dieser grauenhafte Zeitpunkt, an dem man kurz vor der Matura irgendeiner alten Dame gegenübersitzt und während man noch panisch versucht, sich zu erinnern, ob und wenn ja, wie die Lady mit einem verwandt ist und wie zum Teufel sie heißt, fragt sie einen, was man werden will. Und plötzlich merkt man, dass die Nummer mit Astronaut und Primaballerina nicht mehr zieht. Jetzt muss man entweder etwas Vernünftiges sagen oder etwas, das vernünftig klingt oder zumindest sehr intellektuell. Ein paar Wochen lang bin ich damit über die Runden gekommen, dass ich gesagt hab: "Ach, Keltologie vielleicht." Das ist dann nämlich sogar klebrigen alten Damen zu langweilig und sie wechseln das Thema. Nur hab ich dann neulich eine erwischt, die entzückt sinngemäß etwa folgendes ausrief: "Keltologie! Welch Freude! Welch Elysium! Ich selbst gedachte dereinst, jenes erhabene Fach zu studieren, doch, alas, es wurde nichts draus, denn des grimmgen Schicksals Pfeile..." und mir eine geschlagene Stunde lang erklärte, warum sie dann doch lieber was ganz was anderes studiert hat, was ihre Kinder studieren, was ihre Enkel studieren, was ihr Mann studieren wollte und was er dann in Wirklichkeit studiert hat und was das Familienmeerschwein studieren will, sobald es seine Zulassung kriegt. Wirklich wahr.

Deshalb sage ich jetzt zu netten alten Damen immer, dass ich ein Seelen fressender Dämon aus einem der tiefsten Höllenkreise werden will. Ich meine, erstens ist das cool und zweitens gibt es auf der Welt viel zu wenige dicke, kleine, Brillen tragende Dämonenlords mit österreichischem Dialekt. Zuerst verbreite ich ein paar Jahre lang Angst und Schrecken mit meinen höllischen Heerscharen, dann zieh ich mich aufs Altenteil zurück, versuch ein Comeback mit ein paar abgefackelten Städten, öffne ein Tor zur Kerkerdimension direkt im Bildungsministerium, schreibe eine Autobiographie, werde stinkreich und verbring den Rest meiner Tage mit Gastauftritten bei Seancen.

Da ist dann also dieses düstere Gewölbe voller verhüllter Gestalten, die Räucherstäbchen abbrennen, schwarze Ziegen opfern, lateinische Merksprüchlein rezitieren und Tollkirschpunsch süffeln. Schließlich, um Mitternacht, die Stimmung ist aufgeheizt, wird eine Jungfrau (oder die Bildungsministerin) geschächtet und ein Hohepriester breitet die Arme aus, donnert ein paar eindrucksvoll klingende Formeln und beschwört den finstersten aller finsteren Dämonenlords. Also mich.

Ich lasse mich tatsächlich dazu herab, mich meinen Jüngern zu zeigen, erscheine in Rauchschwaden und Schwefeldämpfen punktgenau im Zentrum eines riesigen Pentagramms aus Totenköpfen, Kerzen und blutigen Rabenfedern. Die Fans jubeln, ich blicke hoheitsvoll um mich, schaue mir das Pentagramm genauer an und erhebe meine Stimme: "Duftkerzen? Ihr bescheuerten Pfuschsatanisten beschwört den finstersten aller finsteren Dämonenlords herauf und verwendet für das Pentagramm kleine bunte Dinger, die nach French Vanilla und Apfel & Pfirsich müffeln? Seid ihr völlig daneben?" Der Hohepriester wird etwas sagen wollen, ich werde ihm mit einer herrschaftlichen Geste das Wort abschneiden und sprechen: "Duftkerzen sind absolut pfui, ihr Amateure. French Vanilla beispielsweise riecht ein bisschen so, als hätte man edelste Bourbonvanilleschoten frisch aus Madagaskar eingeflogen, an einen Pavian verfüttert und den Pavian dann angezündet. Während Apfel & Pfirsich vage an vergorenen Hustensaft gemahnt, so picksüß, dass es die Nasenschleimhäute verätzt und der Hauch der Hölle eine frische Meeresbrise dagegen ist. Aber wo wir gerade bei dieser wunderbaren Querverbindung Duftkerzen - Kerkerdimension sind, eine ernsthafte Anwendungsmöglichkeit gibt es für die Dinger trotzdem. Wenn man als Zwölfjährige auf die Geburtstagsfeier einer Klassenkameradin eingeladen wird, die man erst seit zwei Monaten kennt und von der man weiß, dass man sie, sobald man sie erst länger als zwei Monate kennt, verachten muss, und man braucht trotzdem ein Geschenk, weil man sie ja noch nicht lang genug kennt, um offen den Krieg zu erklären, dann bieten sich Duftkerzen geradezu an. Sie sind angemessen anonym und schauen so aus, als habe man sich bemüht, etwas Hübsches zu finden. Wobei natürlich in Wirklichkeit der einzige Hintergedanke ein vages Hoffen war, dass das Gör auf irgendeine geheime Duftkerzenchemikalie schwer allergisch ist und ihr davon Tentakeln aus den Ohren wachsen. Man wäre sogar mit nur annähernd tentakelförmigen Wimmerl schon recht zufrieden."

Da wird es dann vielleicht einen Jünger geben, der den Mut hat, mir ins zornrote, gehörnte, bebrillte Angesicht zu sagen, dass es ihn befremdlich deucht, dass ein Dämonenoberboss mal auf einer Geburtstagsparty für zwölfjährigen Mädchen war. Damit wird er dann beweisen, dass er keine Ahnung von zwölfjährigen Mädchen hat.
 

Kommentieren |  Kommentare lesen |  About Sarah

Weitere Kolumnen von Sarah & Hilbi in unserem Archiv