von Sarah Wassermair
An anderer Stelle habe ich versprochen, über ein äußerst hässliches Kissen mit
dämonischen Kräften zu schreiben. Das Kissen ist, wie gesagt, äußerst hässlich.
Auf der einen Seite ist es golden, mit eingewebten goldgelben Buschwindröschen,
auf der anderen Seite hat jemand ein psychedelisches Muster in den Farben
Spinatgrün, Giftgrün, Schimmelgrün, Toter-Regenwurm-Grün und
Siebziger-Jahre-Telefon-Orange eingestickt. Es liegt immer auf meinem
Schreibtischlehnstuhl und ich will es dort nicht haben. Erstens, weil der
Lehnsessel älter ist als ich und somit von vielen Hintern bearbeitet und viel
weicher als das Kissen. Zweitens, weil das Kissen hässlich ist. Ich habe über
die Jahre viele Versuche unternommen, es loszuwerden. Zuerst habe ich es einfach
nur auf die Wohnzimmercouch transferiert. Es kehrte zurück. Dann habe ich es auf
Papas Lieblingssessel gelegt. Es kehrte zurück. Wahrscheinlich wegen
Revierstreitigkeiten mit dem dort heimischen blauen Kissen. Ich habe es unter
dem Bett versteckt, unter der Katze, unter dem Schreibtisch, hinter dem
Heizkörper, auf dem Bücherregal, nur, um es wieder auf meinem Lehnstuhl zu
finden. Eines Tages wurde es mir zu dumm. Ich habe das Kissen genommen, bin
damit zur Mülltonne, machte den Mülltonnendeckel auf, starrte eine Minute lang
auf die dort versammelten Katzenfutterdosen, machte den Deckel wieder zu und
ging wieder ins Haus. Mord ist auch keine Lösung. Stattdessen habe ich das
Kissen gut sichtbar unter ein Bücherregal gelegt, ein paar alte Profil-Hefte
darauf und einen Globus davor platziert und einen Zettel für unsere Haushälterin
drangepinnt: VORSICHT! KISSEN IST MIT NERVENGIFT IMPRÄGNIERT, EXPLODIERT BEI
BERÜHRUNG UND HAT FPÖ GEWÄHLT! Drei Tage lang gehörte der Sessel mir. Dann
fühlte ich mich sicher genug, den Zettel zu entfernen. Kissen kehrte zurück.
Ein Wort stört meine Kreise. Eigentlich wollte ich jetzt, um das Thema
"Unsinnige Gegenstände" weiter auszureizen, noch über Duftkerzen schreiben, aber
das Wort taucht immer wieder in der Peripherie meines Hirnes auf und hindert
mich am Denken. Es lautet: Mugda. Wie sehr es mich stört, kann man daran
ermessen, dass es geschlagene sieben Minuten gebraucht hat, bis mir dieser
Überleitungssatz (der mit den Kreisen) eingefallen ist. Jetzt, wo ich ihn habe,
ist es aber ein sehr schöner Satz, dessen besondere Qualität darin besteht, dass
man ihm nicht anhören kann, dass ich gerade aus Frust versucht habe, meine
Schreibtischlampe zu erwürgen. Mugdamugdamugda. Es ist ein Kunstwort, dass mein
geliebtes Brüderlein Michi seit Neuestem in jeden Satz einbaut, um so blutige
Späne von unser aller Nerven zu hobeln. Und so fand vor Kurzem auf einer
österreichischen Schipiste folgender Dialog statt:
ICH: Sats es deppert? (Übs: Ich komme nach eingehender Beobachtung eures
extravaganten Fahrstiles zu dem Schluss, dass es um eure höheren Hirnfunktionen
nicht so rosig bestellt ist, als dass ein Vergleich mit Einstein, Wittgenstein
oder zumindest einem Kieselstein gerechtfertigt wäre.)
MICHI: Mugda nicht deppert! Du mugda langsam!
ICH: Man fährt eine Muggerlpiste (Übs: haufenweise Schneehaufen) nicht Schuss.
MICHI: Mugda feige! Mugda mit Mama und Jo mitfahren du musst!
ICH: Bei dena ihrem Tempo? (Übs: Jo und Mama müssen gelegentlich die Hälfte
einer Piste zu Fuß gehen, weil sie vom Tauwetter überrascht werden. Mich an sie
zu halten ist keine praktikable Alternative.)
PAPA: Wenn du das Gewicht ein bisserl mehr auf die Außenkante legst, bekommst du
einen mords Hadern zusammen. (Übs: wirst du sehr schnell.)
MICHI: Wir sind mugda schnell!
ICH: I hob im Gegensatz zu eich a funktionsfähigs Hirn! (Übs: Im Gegensatz zu
euch, geliebter Vater und geliebter Bruder, verfüge ich über zwei X-Chromosomen
und bin daher in der Lage, Gefahren und Risiken exakt abzuschätzen. Somit weiß
ich, dass es nicht nur auf Schnelligkeit ankommt, sondern auch darauf,
Frontalkontakt mit Baum und Schnee zu vermeiden. Das Schneeballprinzip nämlich
ist ein rein mathematisches Konzept und in der physikalischen Erprobung
schmerzhaft.)
MICHI: Mugda feige! Mugdamugda!
ICH: Mugda söba! (Übs: Wärst du weiters so gütig, infantile Wortspiele zu
unterlassen?)
MICHI: Wir mugda jetzt fahren!
ICH: Deppen!
Michi wirft mir noch ein fröhliches "Mugda!" an den Kopf und verschwindet dann
Richtung Unten, wobei er mit Helm und altersbedingt geringer Größe einem
manischen Champignon nicht unähnlich sieht. Vierzig Minuten später beuge ich
mich über ihn und sage: "Weißt du, Kleiner, Ich hab’s dir ja gesagt ist für die
Situation nicht allumfassend genug. Ha! Ha! scheint mir zu grob. Am ehesten
trifft es wahrscheinlich: Mugda Bein gebrochen?" Michi lächelt ganz schwach und
ich mache für den Sanitäter Platz.
Den ganzen Helikopterflug über, erzählt mir Michi am nächsten Tag, während ich "Mugda
laaaaangsam" auf seinen Gips schreibe, habe er Always look on the bright side of
life gesungen.
"Und was haben die Sanitäter dazu gesagt?", frage ich.
"Die haben mitgesummt."
Manchmal bin ich überzeugt, dass mein kleiner Bruder der coolste kleine Bruder
der Menschheitsgeschichte ist. Wie auch neulich, als er seinem besten Freund
dessen Seele für ein Duplo abgekauft hat. "Und was tust du mit seiner Seele?",
fragt Jo und beäugt misstrauisch den Schmierzettelpakt. "Ich geh aufs Amt und
meld ihn um auf jüdisch, damit er sich beschneiden lassen muss." Soweit ich
weiß, hat der Freund seine Seele aber wieder bekommen. Für ein Schinkenbrot.
Mugda, ich habe gesprochen.
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