von Hans-Jürgen Hilbig
Meine Bundespräsidentenantrittsrede:
Meine Damen und Herren,
die Flachmänner dort draußen künden es uns: wir sind Herausragende. Uns gehört
das Schweigen, das Verstummen gehört den anderen. Wir wollen alles und zwar
jetzt, verzichten sollen die anderen, dafür wird es keinem besser gehen, anderen
dagegen schlechter. Das ist immerhin ein Ziel.
Die Gedankenfreiheit, meine Damen, und auch sie meine ich, meine Herren, denken
sie nur, jeder will denken, was er will. Was im Übrigen gar nicht stimmt, denn
die Masse bekommt ja alles vorgedacht. Das war schon immer so und die Masse
will, dass wir Reformkünstler endlich ernst machen und alle, die nicht mitmachen wollen, in die Wüste schicken, wo es
meiner Erinnerung nach auch schön sein kann, zumal wenn man nicht gerne Pilze
isst.
Geigenzähler aller Länder vereinigt euch!
Meine Damen und Herren, ich bitte diesen Aussetzer zu entschuldigen. Ich weiß
auch nicht, was mit mir los ist, vielleicht habe ich zu tief ins Glas geschaut.
Die Trunkenheit ist ja eine grundlegende Voraussetzung für die Reformen, die
unter dem Vorbehalt der Staatsverjüngung weiter voran getrieben wird. Unter dem
Deckmäntelchen der Eitelkeiten fällt das Bildungsbetäubungsgesetz und dort heißt
es: "Es ist verboten, sich ungefährliche Cocktailtipps aus dem Internet zu
ziehen."
Das Land verkleinert sich. Die Schatten aber werden größer. Schon klagen die
Jungen über den Denkmalschutz. Sie sagen: "Weg damit, was soll das?" Gründen wir
uns selbst jeden Tag neu! Bedecken wir unsere Mützen mit Hüten. Legen wir
täglich unsere Haustiere rein, indem wir ihnen ein Leben ohne Käfige
versprechen. Wir brauchen neue Abziehbildchen, die alten erkennt doch keiner
mehr. Wir pfänden alle Überraschungseier und stellen sie als Gefahr der
Menschheit aus.
Ich bin jetzt ihr Präsident, meine Damen und Herren, Zeitstromkästen funken es
leise zu den anderen Planeten. Ich hoffe der Mist funktioniert.
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