von Hans-Jürgen Hilbig

Vor gut vier oder fünf Jahren baute man nebenan ein Musterhaus. Vorher wuchsen dort Sonnenblumen und man hatte es sehr weit bis man ins Fenster anderer Leute glotzen konnte. Dann kamen Bauarbeiter und fingen an, dieses Haus zu bauen, tagsüber hatte ich die Rollläden runter, weil ich es nicht leiden kann, wenn man mir zuschaut, wie ich verkrampft versuche, in die Fenster der anderen zu schauen. Bitte sehr, das war ein Scherz. Das mit den Bauarbeitern war kein Scherz! Bauarbeiter sind kein Scherz, es sind Männer die eine Menge malochen und wahrscheinlich wie 89% aller Menschen viel zu wenig dafür bekommen. Oh je, ratlos blicke ich mich um, ich möchte doch nicht schon wieder so einen politischen Text schreiben ... nein, nein, nein .....

Nun, ich musste mit diesem Musterhaus leben, aber ich gebe gerne zu, dass ich es nicht mochte. Es war also fertig und die Musterhausmitarbeiter gingen hinein und gingen heraus, und wenn sie hineingingen, kam einer von beiden wieder zurück, er hatte ein Schild in der Hand und das stellte er irgendwo hin. Auf dem Schild stand wahrscheinlich, wie schön dieses Musterhaus war und wahrscheinlich superbillig. Alles ist ja immer superbillig. Super, super, superbillig.

Ich Nase war nicht besonders freundlich zu diesen Leuten, obwohl sie nichts dafür konnten. Die stellten ihr Schild nach draußen und gingen nach drinnen. Ein Mann und eine Frau ... Frauen und Männer vertragen sich manchmal furchtbar gut, furchtbar furchtbar gut.

Eines Tages kam irgendein Kerl mit einem Päckchen. Ich hatte dummerweise das Fenster geöffnet und im Musterhaus war keiner da. Er bat mich, das Päckchen anzunehmen. Nein, bloß um alles in der Welt nicht, ich betrete doch kein Feindesgebiet! Ach je, wie albern, wie unmöglich ich bin. Ich sagte ihm, ich hätte keine Zeit. Komischerweise funktioniert dieser Satz immer, seltsam oder?

Am Wochenende kamen richtige Menschen zum Musterhaus: mal gucken. Haus gucken, Autos gucken. Warum fällt den Menschen immer nur so was ein? Egal, muss jeder selber wissen! Jedenfalls hieß es schon damals, dass das Haus nicht auf ewig Musterhaus sein wird. Aber so etwas hört man und trägt es mit sich, so wie man zum Beispiel Krieg und Frieden immer bei sich trägt.

Nun ist es soweit: das Musterhaus ist weg. Die Fahnenstange mit der Musterhausflagge ist verschwunden. Das Schild ist verschwunden. Der Mann und die Frau, alles ist verschwunden. Nur das Haus steht noch da. Es wartet, es wartet wie ich auf Hausbewohner. Ich werde euch auf dem Laufenden halten, bis dahin bleibt brav und trinkt nicht soviel Wein, raucht nicht und hört auf mit diesem komischen Verrenkungen. Frauen und Männer machen manchmal komische Sachen und nicht nur die, aber davon erzähl ich euch nix.
 

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