von Sarah Wassermair

Wie sich mittlerweile herumgesprochen haben dürfte, ist Europa geteilt in drei Zeitzonen: Mitteleuropäisch, Greenwich und Silly. Während die ersten beiden relativ stabil sind und nur in Einsteinscher Manier relativ, ist letztere unter allen Umständen relativ relativ. Der werte Leser möge mir erlauben, dieses Phänomen anhand eines konkreten Beispiels zu erörtern:

Ich liege noch selig schlummernd im Bett und träume von flauschigen Hamstern, als mein Handy läutet.

(An dieser Stelle ein Dementi: Es gibt manche Menschen in meinem Umkreis, die behaupten, ich hätte in letzter Zeit eine gewisse Hamsterfixiertheit entwickelt. Dem ist definitiv nicht so und ich verbitte mir solche Vereinfachungen. Wenn Hitchcock wie ein Hamster aussieht, ist das sein Problem, nicht meines. Und 'Hunni, der Hamsterhunne' war eine künstlerische Notwendigkeit und im Plot angelegt. Manchmal sind Hamster einfach zwingend.)

Wie gesagt, das Handy läutet.

Ich: "Wsls?" Übersetzung: "Welch gräulicher Mensch wagt es, ohne vorherige Anmeldung in dreifacher Ausfertigung auf solch dreiste Art Audienz zu erzwingen?"
Mutter: "Hi, ich hab gedacht, ich frag dich kurz..."

Weiter kommt sie nicht, denn sie wird von meinem dezenten Todesröchler unterbrochen. Ich hab nämlich grad trübäugig zum Fenster gespäht und festgestellt, dass es draußen schon dämmert. Nun ja, normalerweise schlafe ich ein bisschen länger als der Durchschnittsösterreicher. Aber erstens bin ich noch im seelischen Wachstum und zweitens grummle ich dafür meistens bis drei Uhr morgens durch meine Wohnung, weil grad irgendeine Szene erbitterten Widerstand leistet oder weil ich noch einen Hamster zeichnen will oder sonst was.

Nur - normalerweise bin ich dann doch vor Sonnenuntergang wach. Weit vor Sonnenuntergang. Diese kleine Verschiebung könnte natürlich etwas mit der Tatsache zu tun haben, dass von gewissen Personen am Vortag größere Mengen von Rotwein konsumiert wurden. Ich vermute aber eher, dass das Wetter schuld ist. Und die momentane Börsensituation. Und die ÖVP. Die ist sowieso an allem schuld. Der Rotwein ist höchstens marginal an der ganzen Sache beteiligt.

Schließlich ächze ich: "Mutter mein... wie spät ist es?"
Mütterlein mein: "Halb acht. Wieso?"
Ich: "Mistmistmist! Ich ruf dich gleich zurück, okay?
Mütterlein fein: "Wieso?"
Ich: "Später!"

Ich lege auf und wähle die Nummer meines geschätzten Co-Autoren Jacob, mit dem ich nämlich um halb acht eine Drehbuchbesprechung ausgemacht habe.

Jacob: "Hi."
Ich: "Sorry!"
Ich stopfe mein Notizbuch in den Rucksack und grapsche nach einem Rudel Bleistifte.
Ich: "Tut mir total leid, ich bin schon unterwegs."
Die Bleistifte sind angespitzt und H5, ich verletze mich folglich schwer.
Jacob: "Was"?
Ich lutsche an den graphitgeschädigten Fingern, versuche T-Shirt, Hose und Socken gleichzeitig anzuziehen und falle um.
Ich: "Autsch! Ich bin schon so gut wie aus dem Haus. So was ist überhaupt noch nie passiert. Siebzehn Stunden verschlafen!"
Jacob: "Siebzehn Stunden?"
Ich: "Ich komme gleich."
Jacob: "Wohin kommst du gleich?"

Der Groschen fällt. Der Groschen fällt so nachdrücklich, dass von den Erschütterungen noch bei meinen Nachbarn die Teetassen klirren.

Ich: "Es ist halb acht Uhr morgens, oder?"
Jacob: "Ja."
Ich: "Mist."

Dann schweige ich. Und schweige noch ein bisschen. Nach fünf Minuten äußere ich schließlich Folgendes: "Du kannst jetzt langsam mit dem Lachen aufhören."
Jacob: "Schon?"
Ich: "Schon."
Jacob: "Schade."

Zu meiner Verteidigung, 07:30 ist absolut unnatürlich. Wenn man um diese Zeit aufweckt, dann kann das nicht gut gehen. Man marschiert ja auch nicht mitten im Winter in eine Bärenhöhle und schreit: "Heiho! Aufstehen, ihr schnuffigen Wuscheltierchen!"

Nein, das tut man nicht. Dann ist nämlich der Bär desorientiert, grantig und frisst einen auf. Und wenn man mich weckt, dann bin ich desorientiert, panisch und mache mich zum Affen. Ganz im Gegensatz zu meinem Co-Autoren, übrigens. Der steckt es mit löblicher Souveränität weg, wenn ihn - völlig willkürliches Beispiel - um 07:30 eine Irre mit Zeitverwirrung aus dem Schlaf reißt und fünf Minuten lang wirres Zeug redet. Aber der Mensch ist auch um zwei Köpfe größer und verträgt wesentlich mehr Rotw… Wetter.

Ich: "Wenigstens wissen wir jetzt sicher, dass meine praktische Intelligenz wirklich für keinen anderen Job ausreicht als für Drehbuch."
Jacob: "Du könntest Meerschweinchen züchten."
Ich: "Hamster!"
Jacob: "Du gehst jetzt besser wieder ins Bett."

Amen dazu, liebe Gemeinde, Amen.

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