Taktisches Kochen
Ich hab Bock auf Pizza. Schon den ganzen Tag. Leider macht sich meine Frau nicht so
sehr viel aus Pizza. Das ist ein Problem. Während ich den Wagen parke, überlege ich, wie
ich diese Schwierigkeit beseitigen könnte. Auf dem Weg durchs Treppenhaus dämmert mir,
dass
mir wohl nur ein einziges Mittel bleibt: Taktisches Kochen.
"Hallo, Schatz! Was gibt's heute zu essen?"
Ich stehe im Flur, als mich diese Frage trifft, den Wohnungsschlüssel in der
Rechten, Einkaufstüten in der Linken, die Jacke noch an und starre auf meine Frau, die
munter wie ein Hamster aus dem Wohnzimmer geschossen kommt und gefüttert werden will.
Im Hintergrund spricht Richter Alexander Hold. "Keine Ahnung – das, was Du gekocht
hast!", antworte ich spontan, wohl wissend, dass sie keine Gelegenheit zum
Einkaufen hatte, ohne Auto und mit der Kleinen im Schlepp. Die Antwort kommt
prompt.
"Blödmann!"
"Schaf!", antworte ich.
"Esel!", sagt sie und lacht. Ich überschlage kurz: Es steht 2:2.
Neutrale Ausgangspositionen nach Runde 1.
Sie nimmt mir die Tüte ab und verschwindet in der Küche, während ich mich aus der Jacke
schäle, die Schuhe fortschleudere und über den Kater stolpere. Ich fluche, er schaut
beleidigt – selbst schuld, ich reibe mich ja schließlich auch nicht an seinen Beinen,
wenn ich nach hause komme. Ich sehe nach meiner Tochter. Sie schläft. Wenigstens eine,
die hier ihre Ruhe hat.
In der Küche beginnt Runde 2. Frau durchwühlt die Einkaufstüte. Ich hatte mich
der Illusion hingegeben, sie würde die Einkäufe weg- und nicht nur ausräumen. Falsch
gedacht. Amüsiert beobachte ich vom Türrahmen aus, wie sich die kleine Person immer
tiefer und tiefer in den Jutesack wühlt, auf der Suche nach Nahrung. Aber es ist nur
Katzenfutter drin und ein bisschen Kleinkram. "Was gibt's denn nun zu essen?",
piepst es aus dem Beutel.
Ich denke an das Pizza-Taxi. Ich habe einfach keine Lust zu kochen, nicht heute. Aber
Frau macht sich ja nicht so viel aus Pizza. Deshalb antworte ich: "Spaghetti
Carbonara." Das müsste klappen.
"Ooooooch!" macht Frau prompt. Die Enttäuschung ist ihr anzusehen: "Hatten
wir doch neulich erst!"
"Und?", antworte ich. "Ich bin Dein Mann, nicht der Kellner vom Ritz!
Wir haben noch Backofen-Fritten und Hähnchenschenkel im Eisschrank; dann machen wir
eben die." Das ist riskant. Ich lauere auf die Reaktion.
"Meinst'e echt?", fragt sie. Meine Frau macht sich auch nicht so sehr viel
aus Hähnchenschenkeln. Weniger noch als aus Pizza. Dem Ton ihrer Frage entnehme ich,
dass die Aussicht auf Hähnchenschenkel sie nicht begeistert. Der Plan scheint
aufzugehen, doch nun wird es schwierig, noch etwas zu finden, was sie ablehnen
wird. Doch ich kenne meinen Gegner. Und ich weiß, was er noch weniger mag als die
Vogelbeine.
"Hm, wir haben auch noch Putenfleisch und Pilze. Ich könnte Putengeschnetzeltes
machen, in Weißweinsauce mit Reis..."
"Ooooch, Reis.....?" Die großen Augen schauen zweifelnd. Das ist meine Chance.
Ich zucke mit den Achseln, mache ein ratloses Gesicht und sage: "Also, dann weiß ich
auch nicht..."
"Wir könnten den Pizza-Mann anrufen!", überlegt sie und seufzt.
Bingo. Ich greife zum Telefonhörer.
Morgen, glaube ich, lasse ich sie wieder gewinnen.
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