Prime time cooking

"Schatz?"
"Ja?" Um drei Ecken und durch zwei halbgeschlossene Türen.
"Du könntest mir ruhig mal helfen!"
Klingt meine Stimme scharf? Ich hoffe nicht! Das könnte mein vorzeitiges Ende bedeuten. Dennoch, auch ich bin müde und genervt nach der Arbeit, auch ich möchte Feierabend, auch ich möchte vor dem Fernseher hängen und "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" glotzen und vor allem möchte ich nicht ständig bis zu den Spätnachrichten in irgendwelchen Töpfen rühren, damit Frau was zu essen bekommt! Ich bin ein Mann, mir würde eine Tüte Chips und ein Budweiser reichen - für mich koche ich hier bestimmt nicht! Und heute war ein besonders fieser Tag, also werde ich mich durchsetzen. Heute wird gekocht – und zwar gemeinsam, unter Beteiligung aller Familienangehöriger. Jeder wird seinen Beitrag leisten zu der gemeinsamen Mahlzeit, und jeder...
Ich höre Bewegung im Wohnzimmer. Irgendwas raschelt und meine Frau sagt irgendwas zur Kleinen, klingt wie: "Komm mit in die Küche, Papa wird zickig." Aber ich bin nicht sicher, der Dunstabzug läuft und jault mir die Ohren voll. Zickig? Na warte.

Die Regentin erscheint, die Thronfolgerin auf dem Arm tragend. Sie trägt Pantoffeln und eine schlabberige Jogging-Hose – sieht fantastisch aus an ihr, wie macht sie das bloß? – und hat offenbar beschlossen, in die Offensive zu gehen. Denn noch bevor ich den Mund öffnen kann, schleudert sie mir ein "Was kann ich denn tun?" entgegen. Sofort wittere ich Heimtücke und mein Blick sucht die Küchenuhr. Aha, 19:40 Uhr, GZSZ fängt gerade an, die heilige Lieblingssoap. Daher weht also der Wind. Mit Sicherheit hat sie einen Plan, um sich zu drücken! Ich muss vorsichtig operieren, sonst ist die Niederlage gewiss.
"Du kannst Zwiebeln schälen und in Würfel schneiden." Nur ein Versuch, quasi ein Testballon, den ich steigen lasse, um Erkenntnisse über ihre Arbeitsbereitschaft zu erlangen. Sie holt ihn elegant vom Himmel: "Ich muss die Kleine gleich noch füttern, die mag es nicht, wenn ich nach Zwiebeln stinke." Mist, daran habe ich nicht gedacht! Sie ist schlau wie ein Wiesel. Ich muss mich mehr anstrengen.
"Na gut, wie wär's, wenn Du das übrige Gemüse putzt und ich schneide die Zwiebeln?" Sie stülpt die Unterlippe vor. Kein gutes Zeichen.
"Aber hier bin ich Dir doch nur im Weg; Du hast doch die ganze Arbeitsfläche in Beschlag genommen – wo soll ich da noch hin mit dem Gemüse?"
Ha, jetzt habe ich sie! Ich grinse, meine Tochter grinst zurück. Ich strecke ihr die Zunge raus und antworte der Regentin: "Kannst doch alles mit rüber nehmen und am Wohnzimmertisch Gemüse putzen. Dann kannst Du auch Deine komische Seifenoper sehen, im Gegensatz zu mir, der ich hier am heißen Herd schwitzen muss!" Elena versucht ebenfalls, die Zunge heraus zu strecken und sabbert glücklich auf den Küchentisch. Erstaunlich, wie viel Speichel in so einem kleinen Kind steckt.
"Ach, Du willst doch bloß selbst GZSZ gucken, gib's doch zu!", blafft Frau.
"Quatsch", entgegne ich entrüstet, "der Unfug interessiert mich überhaupt nicht!"
"John's Vater hat Bewährung gekriegt."
"Echt? Erzähl!", rufe ich spontan und beiße mir gleich darauf auf die Zunge. Bin ich ihr wieder auf den Leim gegangen! Fuck!
Sie gackert fröhlich. "Siehste, siehste, hab ich ja gewusst! Elena, der Papa ist sooo doof!"
"Zieh das Kind nicht mit rein in unseren Ehekrach!", grummele ich und versuche, die Stirn zu runzeln. Meine Tochter ist begeistert und versucht, es mir nachzumachen. Wer soll da ernst bleiben? Ich komme zurück zum Thema: "Was ist jetzt, machst Du nun irgendwas oder nicht?"
"Ja, was denn?" erschallt die Antwort, "Du hast immer noch nicht gesagt, was ich tun soll!"
Ich starre dumpf durch sie hindurch. Bin ich hier im falschen Film? War nicht eben noch von Zwiebeln und Gemüse die Rede? Nur mühsam finde ich den Faden wieder und öffne den Mund zu einer geistreichen Erwiderung, über die ich im Grunde nicht verfüge. "Du..."
"Was ist das denn?", schneidet sie mir das Wort ab und deutet auf einen kleinen, schwirrenden Punkt, der sich aus der Obstschale erhoben hat und durch die Küchenluft trudelt.
"Eine Fruchtfliege," antworte ich irritiert, "Drosophila mela..."
Sie schlägt klatschend die Hände zusammen und Drosophila verschwindet aus meinem Blickfeld. "Jetzt ist es Abfall!", stellt sie fest. Ich bekomme Gänsehaut.
"Ich denke, ich komme alleine klar", bemerke ich mit brüchiger Stimme.
"Gut", sagt sie, die Thronfolgerin aus dem Hochstuhl nehmend, die fröhlich jauchzt, "wie Du meinst."
Ja, meine ich. Man sollte sich nicht zwischen eine Frau und ihre Lieblingssoap stellen. Ich meine, heute ist es nur eine Fruchtfliege, aber morgen...
 

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