Tanka

Sattgrüne Weide.
Der Wind streift in Wellen durch
goldnes Getreide.

Am Feldrand: ein alter Baum,
er schenkt Dir seine Früchte.

* * *

Spürst Du auch den Klang,
diesen Hauch auf den Lippen,
so schwebend und bang?

Zärtlicher Zwang: die Zunge
verführt der gelbe Gesang. 

* * *

Es wohnt ein Gott in
allen kleinen Dingen, wirst
Du den Ich-Molloch

Einmal zum Schweigen bringen,
dann hörst auch Du ihn singen.

* * *

Mitten in der Nacht
spaziere ich durch leere
Straßen – ohne Ziel.

Was treibt, wenn andre friedlich
schlafen, ruhelos mich um?

* * *

Heilig ist die Nacht,
komm, ich teile sie mit dir,
rasend unbedacht.

Leichtsinn, sternenüberdacht, 
Tanz, bis uns der Morgen lacht.

* * *

Es ist naß und kalt,
der Baum vor der Tür verliert
schon seine Blätter.

Er glaubt, es ist Oktober,
dabei ist doch erst August.

* * *

Deinen Atem will
ich trinken, der wie frische
Äpfel duftet, mich

an deinem Mund berauschen,
denn er schmeckt wie edler Wein ...

(wortwörtlich: Die Bibel, Hohelied 7,9-10)

* * *

Rosen überall,
die Schönheit, steif und edel,
sie ist nicht mein Fall.

Am Weg wächst der wilde Mohn,
so rot, den Rosen zum Hohn.
 

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